20/80 – Selbst ist der Perfektionist

Ein wesentlicher Teil meiner Sales- und Marketingstrategie sind Publikationen. Ich schreibe regelmäßig: Newsletter, Whitepaper, Case Studies oder Artikel in Fachzeitschriften. Und ja, ich entwickle bei meinen Publikationen einen Hang zur Perfektion: flüssiger Text, spitze Formulierungen, Überschriften auf den Punkt gebracht, Grafiken und Bilder, die meine Aussagen visualisieren – „perfekt“ ist alles andere als einfach.

Bis zu einem gewissen Punkt ist das auch gerechtfertigt. Eine ansprechende Form wertschätzt sowohl den Inhalt als auch den potenziellen Konsumenten. Irgendwann wird das Ergebnis jedoch nicht mehr besser, sondern nur noch anders, und dieser Punkt ist in mindestens 80 Prozent aller Fälle relativ schnell erreicht. Von diesem Moment an wird aus wertschöpfender Marketingtätigkeit eine sehr reale Verschwendung von Lebenszeit, die man deutlich besser und angenehmer verbringen könnte.

Wie kommt man aus der Perfektionsfalle heraus? Indem man den Fokus auf das Wesentliche der Publikationen richtet: auf Inhalt und Aussage (statt auf Form und Gestaltung). Präzision bei Inhalt und Aussage schafft Vertrauen in den Wert des Ergebnisses und Toleranz für eventuelle Mängel bei der Form.

20/80 – Effizienz statt Perfektion im Projekt

Als Spezialist für Innovationsprozesse werde ich immer wieder mit der Frage nach dem „optimalen Headcount“ von Innovationseinheiten konfrontiert. Der eigene Anspruch an Präzision und Qualität gepaart mit der Erwartungshaltung der Kunden führt schnell in die Perfektionsfalle. Schließlich geben die großen Unternehmensberatungen die „Best Practices“ vor: minutiöse Projektpläne, mikroskopisch detaillierte Arbeitspakete und mit der Stoppuhr ermittelter Zeitbedarf. Das alles wird in eine zehnseitige Tabellenkalkulation eingepflegt, die auf Knopfdruck das Ergebnis auswirft: 17,35 Mitarbeiter zu viel.

Das Ergebnis überzeugt – bis man es hinterfragt. Mit immensem Aufwand wurde eine Momentaufnahme erstellt, die zwei Wochen später nur noch scheinbar „perfekt“ ist und nach zwei Monaten endgültig ins Diffuse abdriftet. Eine Momentaufnahme, die den eigentlichen Bedarf des Kunden weder adressiert noch ihm nachkommt: Wie kann das optimale Verhältnis von Personalstärke zu Innovationsprojekten dauerhaft gemessen und gesteuert werden?

Das unreflektierte Gehen von vorgegebenen Pfaden kombiniert mit dem Perfektionsanspruch schafft in einem solchen Projekt nur Verlierer. Der Kunde erhält keinen brauchbaren Gegenwert, und der Berater vernichtet in großem Umfang seine eigene wertvolle Zeit.

Effizienz statt Perfektion ist die Lösung: ein Stück Papier, Format Bierdeckel, pro Mitarbeiter. Darauf die Tätigkeiten, die der Mitarbeiter durchführt, aber auch die, die er durchführen sollte, in den letzten zehn Monaten jedoch sträflich vernachlässigt hat. Direkt dahinter die geschätzte Zeit, die für eine sinnvolle Bearbeitung aufgewendet werden muss. Das Ergebnis im kurzen Gespräch mit den Mitarbeitern reflektieren und verifizieren – fertig. Natürlich ist eine solche Abschätzung nicht perfekt. Die einzig relevante Frage ist jedoch: Ist sie für den Kunden nützlich?

Nun, zunächst lässt sich diese „Bierdeckel-Analyse“ sehr leicht hinsichtlich der zentralen Fragestellung auswerten: Abweichung des Headcounts vom Soll ±25 Prozent = normale Schwankung; ±25 bis ±50 Prozent = intensives Monitoring; mehr als ±50 Prozent = sofortiger Handlungsbedarf.

Abgesehen davon kann sie wegen des geringen Zeitbedarfs in fast beliebig kurzen Abständen wiederholt werden, bei entsprechender Reife der Organisation sogar von den Mitarbeitern selbst. Und sie erfasst auch die „Waisenkinder“, die unbearbeiteten erfolgskritischen Aufgaben, die immer wieder unter den Teppich der Organisation gekehrt werden und Innovationsprojekte regelmäßig zum Straucheln bringen.

Mit etwas Erfahrung erreicht dieser Ansatz mindestens 80 Prozent der Genauigkeit der konventionellen Verfahren, benötigt aber höchstens 20 Prozent des Aufwands. Aus Kundensicht ist 20/80 ein absoluter Gewinn: wenig Aufwand, Problem gelöst. Aus Beratersicht ist 20/80 ebenfalls ein Gewinn: erfolgreiches Projekt mit deutlich geringerer Investition an Zeit und Aufwand.

Written by : Matthias Kolbusa

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