Ist man in der Beratung bereits einige Zeit erfolgreich unterwegs, besteht eine der wesentlichen Herausforderungen darin, stets darauf zu achten, dass man nicht einrostet.
Doch nicht nur das Einrosten führt dazu, dass wir zum Fachidioten werden und jedes Problem als ein Prozess-, Führungs-, Kommunikations- oder sonst wie geartetes Problem ansehen – je nachdem, auf welches Thema sich unsere Fachexpertise erstreckt. Vielmehr langweilt es uns einfach irgendwann, immer wieder das Gleiche zu machen: die gleiche Art Projekt mit den immer gleichen Fragen und Problemen, die sich dabei stellen.
Als ich mich lediglich auf Strategie-Themen konzentrierte, wusste ich bereits vor dem jeweiligen Termin, bei welchem Punkt es Schwierigkeiten geben und was die Fragen sein würden, und ich hatte das Gefühl, wie ein Chat-Robot darauf antworten zu können. Natürlich liegen die Dinge von Fall zu Fall ein wenig anders, aber dennoch sind sie im Großen und Ganzen sehr ähnlich.
Das ist der Fluch der Professionalität! Sie bedeutet, dass wir Dinge aus dem Effeff beherrschen. Wenn auch Sie dieses Chat-Robot-Gefühl haben, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, dass Sie etwas so gut draufhaben, dass es an der Zeit ist, Ihren Horizont zu erweitern, sich neuen Themenfeldern zu widmen und sich weiterzuentwickeln! Denn eines ist klar: Je mehr Themen und Märkte uns vertraut sind, desto entspannter und umsichtiger betrachten wir Probleme und liefern unseren Kunden Anregungen zu deren Lösung, die ihnen niemand anders geben kann. Und wir selbst bleiben geistig rege und beweglich und werden nicht arrogant, weil wir sehen, wie viel es ständig dazuzulernen gibt. Wir werden wieder zu einem Lehrling, obwohl wir bereits Meister auf einem anderen Gebiet sind. Das sorgt nicht zuletzt auch für eine gesunde Portion Demut und Respekt anderen gegenüber.
Sie sehen, es gibt ausreichend Gründe, sich immer wieder neue Themenbereiche zu erschließen! Die Frage ist nur, welche Probleme sich dabei auftun. Warum kann man es nicht einfach machen – und fertig?
Drei Kernprobleme beziehungsweise Fragen ergeben sich:
- Was sind die Themen, auf die ich abzielen soll? Welche neuen beziehungsweise anderen Dinge soll ich anbieten?
- Wie gewinne ich Kunden zu diesem neuen Thema (das möglicherweise mit meiner derzeitigen Positionierung nichts zu tun hat)?
- Wie baue ich die dafür notwendigen Kompetenzen auf?
Schauen wir uns das im Detail an.
Welche Themen kommen infrage?
Erfolg in der Beratung ist die Kombination dreier Komponenten:
- Marktbedarf
- Leidenschaft
- Kompetenz
Es ist unerheblich, welche der drei Komponenten fehlt: Wenn nicht alle drei zusammenkommen, kann sich kein Erfolg einstellen! Auch wenn ich ein echtes Ass bin, was Business Process Reengineering angeht, wenn es keiner mehr braucht – also der Marktbedarf nicht gegeben ist –, wird nichts daraus werden. Genauso ist es, wenn ich zwar erkannt habe, dass es für die Entwicklung agiler Organisationen einen Riesenbedarf gibt, jedoch nicht die geringste Lust verspüre (fehlende Leidenschaft), mich mit Organisationsberatung zu beschäftigen. Es können dann keine guten Projekte werden! Vor diesem Hintergrund gilt es, sich bei der Themenauswahl zwei Fragen zu stellen:
- Wo gibt es einen Marktbedarf?
- Habe ich „Bock“ darauf, mich damit zu beschäftigen (interessiert mich das)?
Die erforderliche Kompetenz ist vergleichsweise einfach aufzubauen beziehungsweise zu entwickeln.
Marktbedarf
Schauen Sie sich um: Was braucht die Welt von heute? Welche Fragen stellen sich Unternehmen derzeit? Schränken Sie sich nicht im Denken ein, denken Sie global! Formulieren Sie Ihre Antworten wiederum als Fragen. Zum Beispiel:
- Wie kann ich meine Mitarbeiter stärker an das Unternehmen binden?
- Wie schaffe ich es bei der fortschreitenden Globalisierung, die richtigen Partner zu finden?
- Welche Organisationsform ist heutzutage die richtige?
- Welche Möglichkeiten gibt es, Innovationen zu beschleunigen?
- …
- …
Je einzigartiger und präziser Ihre Fragestellungen sind, desto besser! Erlauben Sie sich bei Ihrer Suche ein wenig diffuses Denken und lassen Sie Ihre Gedanken schweifen. Lesen Sie die Wirtschaftspresse, jedoch nicht nur die deutschsprachige.
- Was schreiben die Engländer, die Amerikaner etc.?
- Sammeln Sie mindestens zehn Fragestellungen im Hinblick darauf, womit sich der Markt und eine mögliche Zielgruppe beschäftigen.
- Klären Sie nun, welche Fragestellungen/Probleme Ihr Interesse beziehungsweise Ihre Leidenschaft wecken. Achtung: Noch ist es völlig unerheblich, ob Sie die dafür notwendige Kompetenz besitzen.
Kunden finden für Ihr neues Angebot
Nun gehen Sie einen Schritt weiter und stellen anhand einer Matrix Überlegungen zu der Frage an, welche Firmen bezüglich der jeweiligen Fragestellung den größten Bedarf haben.
Verfahren Sie dabei wie in der Beispielskizze weiter unten: Tragen Sie auf der Ordinate ab, welche Firmen (geclustert, wie Sie es für sinnvoll halten – in diesem Beispiel nach Branchen) bezüglich Ihres Themas mehr oder weniger „Pain“ (Bedarf) haben. „Telko“ und „Maschinenbau“ sind hier ganz vorne (unserem Berater geht es um das Thema „Service-Innovationen“).
Auf der Abszisse tragen Sie ab, wie stark Ihr Bezug zu den Firmen ist. In unserem Beispiel hat der Berater das Glück, dass er mit seinem bisherigen Schwerpunktthema „Prozessoptimierung“ bereits häufig für Telko-Unternehmen gearbeitet hat. Seine Erfahrungen im Handel bringen ihm nur wenig, da hier bezüglich Service-Innovationen kein wirklicher Bedarf besteht. Im Bereich Maschinenbau hat er bisher nichts gemacht. Der Bedarf nach Service-Innovationen ist dort jedoch enorm. Also heißt es: loslegen und über die Telkos das Thema angehen (um überhaupt ein spannendes neues Thema an den Start zu bekommen), um sich dann ganz gezielt völlig neuen Segmenten, hier der Bereich Maschinenbau, zuzuwenden.
Weitere Werkzeuge laden Sie sich bitte hier im Bereich der Berater-Tools herunter.
Kompetenzaufbau
Auf diese Art und Weise suchen Sie sich Ihren Entwicklungspfad: Indem Sie ein neues Thema, auf das Sie wirklich „Bock“ haben (Leidenschaft), auswählen und mit Bestandskunden oder sonstigen „Friendly Customers“ ganz offen besprechen: „Du, ich habe im Bereich Innovationen [oder was auch immer Ihr Fokus sein mag!] ein paar richtig pfiffige Ansätze entwickelt, die euch wirklich nach vorne bringen würden. Lass uns doch mal mit deiner Mannschaft aus dem Bereich ABC dazu eine Runde machen.“ Sorgen Sie dafür, dass Sie, nachdem Sie sich theoretisch warmgelaufen haben, erste Praxiserfahrungen sammeln können. Aber auch hier gilt: Sie müssen die Projekte im Geiste schon einmal gemacht, schon ein paarmal durchlaufen haben, damit Sie sich dabei wirklich wohlfühlen
Wachstum geschieht nur im Diskomfort! Natürlich werden die ersten zwei, drei Projekte nicht optimal verlaufen, doch wichtig ist allein, dass Ihr Kunde danach besser dasteht als zuvor, dass Fortschritte erzielt wurden und Mehrwert generiert werden konnte.
Nur Mut!