Ich war 22 Jahre alt und steckte noch mitten in meinem ersten Studium (Informatik). Nachdem ich die ersten Studienjahre durch Softwareentwicklung finanziert hatte (die entsprechenden Kenntnisse hatte ich mir im Alter von 14 Jahren schon sehr früh angeeignet) und total fasziniert davon war – sodass ich die eine oder andere Nacht vor dem Rechner verbrachte –, verlor die Sache langsam an Reiz. Jedes neue Softwareprojekt war zwar tatsächlich neu, doch letztlich war es eben doch wieder das Codieren von Software.

Ich verspürte zunehmend das Bedürfnis, etwas Neues auszuprobieren. Warum sollte ich nicht Unterricht in Softwareentwicklung geben? Das wurde zu der damaligen Zeit wesentlich besser bezahlt, und es gab eine große Nachfrage. Also suchte ich mir einen kleinen Trainingsanbieter, und los ging’s. Die Themen waren sehr viel anspruchsvoller als alles, was ich bisher in der Praxis gemacht hatte. Ich werde nie vergessen, wie ich damals bei HP (Hewlett Packard) ein Drei-Tages-Training in objektorientierter Programmierung durchführen sollte: Zu dieser Zeit war das etwas völlig Neues und von mir selber nie praktiziert worden! Ich las mir die Grundlagen durch und das Trainingsmaterial und dachte: „Wird schon werden.“

Nach der Vorstellungsrunde mit den rund 15 Teilnehmern wurde mir angst und bange: Nicht nur, dass sie alle aus einer Abteilung kamen und sich seit Jahren kannten, nein! Jeder Einzelne erzählte mir, dass er seit etlichen Jahren Software programmierte – und das in den letzten ein bis zwei Jahren auch objektorientiert – und jetzt eben noch ein wenig weiterkommen wollte. Totale Panik breitete sich in mir aus! Ich sehe mich heute noch sofort nach der Vorstellungsrunde die erste 15-minütige Pause einläuten – sehr zur Irritation aller Beteiligten. Ich brauchte unbedingt eine Atempause! Ich weiß noch genau, wie ich auf der Herrentoilette vor dem Spiegel stand, mir Wasser ins Gesicht spritzte, meine Arme hob und feststellte, dass mein Hemd unter den Achseln schweißnass war. Die Flucht zu ergreifen schien nahezu der einzige Ausweg zu sein.

Es ging jedoch so aus, wie es immer in solchen Situationen ausgeht: Ich habe die drei Tage überlebt, auch wenn die Nächte darin bestanden, die eingesammelten Fragen und Probleme des Vortages mithilfe einer Unmenge an Literatur abzuarbeiten, um am nächsten Tag wirklichen Mehrwert liefern zu können. Die Teilnehmer waren zufrieden (nicht hochzufrieden, aber es war okay) und ich total stolz und völlig kaputt.

Ich war stolz,

Natürlich folgten dann weitere Trainings dieser Art, und langsam stellte sich Routine ein, sodass es mir auch hiermit irgendwann langweilig wurde (mehr dazu in diesem Artikel).

Wahrscheinlich hat mich diese Erfahrung ein wenig geprägt, und ich wünsche jedem Berater solche Erlebnisse, bei denen sie ihrem Reiz, ihrer Neugier auf etwas Neues einfach nachgeben. Und das im Zweifel auf eine völlig naive Art und Weise! Denn dann haben sie die Möglichkeit zu erleben, wie anstrengend, aber auch wie unglaublich befriedigend (zumindest im Nachhinein) das ist und wie sehr es einen in seiner Entwicklung vorankommen lässt.

Ich habe diese Form der Weiterentwicklung in meiner Beraterkarriere immer und immer wieder praktiziert: vom Training in die Beratung mit Projektmanagement, in die Prozessberatung, in die Strategieentwicklung, ins Change-Management. Immer wieder heißt es, die erste Feuertaufe zu bestehen, um dann ein unglaubliches Wachstum zu erleben.

Was reizt Sie? Worauf hätten Sie Lust? Legen Sie los – ganz naiv! Naivität ist nicht Unreife, sondern Unvoreingenommenheit und damit eine Chance! Doch Vorsicht: Je länger Sie darüber nachdenken, desto mehr Gründe werden Ihnen einfallen, warum Sie die Finger davon lassen sollten. Darum: Machen Sie sich mutig ans Werk, ohne zu viel darüber nachzusinnen!

Ihr Matthias Kolbusa

Written by : Matthias Kolbusa

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