Gelegentlich treffe ich auf Kolleginnen oder Kollegen, die auf den ersten Blick hervorragend organisiert zu sein scheinen. Doch obwohl sie wie Meister der Struktur anmuten mit ihren faszinierenden Tools für Zeitmanagement, Kreativität und Projektplanung, wirken sie dennoch gehetzt und klagen darüber, dass „das alles bei dem Stress kaum zu schaffen ist“. Ich frage sie dann, was denn „das alles“ überhaupt ist, und stelle immer wieder fest, dass es weder an der Arbeitsmenge noch an der Komplexität ihrer Engagements liegt. Ihr Stress rührt in der Regel daher, dass sie nicht umsetzen, was sie im neuesten genialen Timer, Terminer oder in sonstigen Tools oder Apps mit sich selbst vereinbart haben.

Struktur ist nichts ohne Disziplin

Letztlich ist eine Struktur nichts anderes als eine Reihe mit sich selbst getroffener Vereinbarungen, deren Wert sich erst in der Umsetzung offenbart. Doch dafür braucht es vor allem eines: Disziplin. Es gibt Prokrastinierer, die, statt ihre Haltung und ihr Handeln zu ändern, regelmäßig neue Werkzeuge zur Selbstorganisation einsetzen, weil es die bisherigen „nicht gebracht“ haben. So schiebt man Verantwortung gekonnt ab. Die Coaches unter uns werden das auch von einigen ihrer Klienten kennen. Das fühlt sich dann immer wie ein Neustart an und schafft Erleichterung. Es ist jedoch kein wirklicher Neustart, denn wer dergestalt im Kreis läuft, hätte es auch gleich sein lassen können.

Stuktur und Disziplin

Bildquelle: AdobeStock Anatoly Repin

Disziplin erfordert natürlich Anstrengung und hat immer etwas mit Discomfort zu tun. Wenn der Magen knurrt, kommt es darauf an, den viel zu süßen Schokoriegel nicht zu essen. Den Hungerimpuls zu kontrollieren ist unkomfortabel, aber es ist unglaublich befriedigend, wenn man es geschafft hat.

Die wesentlichen Erfolge im Leben entstehen nicht durch Begabung oder aufgrund hoher Intelligenz, sondern durch Disziplin.

Hat der Deal mit uns Sinn?

Die gute Nachricht lautet, dass wir uns das mit der Disziplin leichter machen können. Ein sehr probates Mittel dazu ist Routine.

Was wir zur gleichen Zeit gegebenenfalls am gleichen Ort wiederkehrend machen, verliert schon bald den Schrecken, langweilig, mühevoll oder sogar beängstigend zu sein.

Darum soll es hier aber weniger gehen, sondern eher darum, wie wir uns selbst wertschätzen, wenn wir Vereinbarungen mit uns selbst einhalten. Denn wie sehen wir Abmachungen, die andere mit uns getroffen haben? Halten sie diese ein, fühlen wir uns persönlich wertgeschätzt. Lassen sie die Verabredung jedoch platzen, kommen wir uns missachtet vor. Wollen wir uns also wertschätzen oder uns selbst mit Füßen treten?

Damit es mit der Disziplin klappt, müssen wir bei Vereinbarungen mit uns selbst ebenso prüfen, ob sie Sinn haben und von uns eingehalten werden können, wie wir es bei Kunden täten. Ihnen wollen wir ja auch nichts versprechen, was uns unsinnig vorkommt oder für das uns die nötigen Ressourcen fehlen. Fragen wir uns also immer:

  • Bringt uns das wirklich voran, oder ist es maximal hilfreich, aber verzichtbar, wenn nicht sogar gänzlich überflüssig?
  • Haben wir das Zeitfenster und alle Mittel zur Verfügung, die wir zur Einhaltung des inneren Versprechens brauchen?
  • Und, ganz wichtig: Sehen wir klar, was wir auf welchem Weg erreichen wollen?

Gilt auch bei Mühe: Was nichts kostet, taugt nichts

Entscheidend ist, dass wir uns dabei immer auch fordern. Ein Deal, der keine Mühe kostet, ist kein wahrer Erfolg und macht uns nicht stärker.

Nur wenn wir es uns unbequem machen und uns in Zeug legen, wachsen wir an den Aufgaben und beschreiten einen lebenslangen Weg des Lernens und Besserwerdens. Sind wir erst mal auf Kurs, lassen wir uns auch von Rückschlägen nicht mehr entmutigen. Wenn einmal etwas nicht so läuft mit unserer Struktur und den sich ergebenden Verpflichtungen, nehmen wir das aufmerksam, aber gelassen zur Kenntnis, lächeln, passen das System an und gehen wieder ans Werk.

Kommen wir noch mal zu den Süßigkeiten zurück, die ein gutes Beispiel für die komplexeren Aufgaben des Lebens sind. Vereinbarungen mit uns selbst treffen wir meist in Phasen, in denen es uns gut geht – etwa am Jahresende oder im Urlaub, wenn wir entspannt sind. Ein typischer Neujahrsvorsatz lautet: Ich will keinen Zucker mehr essen. In den ersten Wochen des Jahres ist das kein Problem. Doch plötzlich sitzen wir im Februar in einer Konferenz und verspüren bohrenden Hunger. Auf dem Tisch steht nichts außer einer großen Schale voller verlockender Süßigkeiten. Greifen wir zu, oder trotzen wir der Verführung? Und wie fühlen wir uns, wenn wir der Versuchung widerstanden haben?

Ich selbst finde den Stolz, den man bei diszipliniertem Verhalten verspürt, weitaus befriedigender als das schlechte Gewissen, das sich nach einer Disziplinlosigkeit einstellt.

Manchmal muss man einfach stark bleiben

Disziplin ist somit eine Frage mentaler Stärke. Sich also nicht dem Hungergefühl hinzugeben, sondern zu sagen:

„Moment mal! Ich habe eine Vereinbarung mit mir selbst getroffen. Diese Vereinbarung breche ich jetzt nicht!“

Wenn man dieses unbedeutende Beispiel des Starkbleibens auf bedeutsamere und folgenreichere Situationen überträgt, wird der Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Menschen deutlich. Denn was im Kleinen für die Schokolade gilt, das gilt auch für das Große, also auch für das taktische Marketing, für Vertriebsthemen, für Projektsituationen und vieles andere mehr.

Nur mit Struktur und Disziplin können wir ernten, was wir mit Lernen, Erfahrung und Kreativität gesät haben.

Ihr
Matthias Kolbusa

Written by : Matthias Kolbusa

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