Wer kennt das nicht: leicht erhöhter Puls und eine spürbare Anspannung, die sich zwischen Vorfreude und Ungewissheit bewegt in der Hoffnung, dass gleich etwas Großartiges geschieht. Ich spreche vom Erstgespräch mit einem neuen Interessenten. Die Tür geht auf, wir treten ein – und dann passiert das Unfassbare, der Super-GAU bei der Auftragsanbahnung: Kurz nach dem Handschlag spüren wir bereits, dass der Funke einfach nicht überspringen will. Am liebsten würden wir die Flucht ergreifen, doch dann sagt unser Gegenüber einige schlaue Dinge, und wir werden neugierig. Natürlich könnte die Einstiegschemie besser sein, aber der Manager, dem wir gegenübersitzen, ist reflektiert, dabei kritisch, aber offen und ein guter Zuhörer. Vermutlich wird man mit ihm sehr gut zusammenarbeiten können, obwohl man sich jetzt gerade nicht vorstellen kann, mit ihm bei einem gemeinsamen Feierabendbier zu sitzen.

Dann erinnert man sich: an den Chef des Maschinenbaumittelständlers, mit dem man am liebsten sofort auf eine Joggingrunde oder auf den Golfplatz gegangen wäre. Was für ein toller Typ: jovial, kommunikativ, witzig und total offen für alles, was wir sagen. Nur fällt er uns dauernd ins Wort, hat bereits einen Haufen Ideen, wie „wir“ seine Probleme lösen, und auch danach im Projekt andauernd seinen eigenen Kopf. Nach einiger Zeit liegen die Nerven blank, und man betet jeden Morgen, dass er nicht wieder auf ein Feierabendbier zu sprechen kommt.

Menschen sind (meistens, nicht immer!) Einstellungssache

Mit wem würden wir lieber zusammenarbeiten?

  • Mit dem vor Ideen sprudelnden Kumpeltyp, mit dem man Pferde stehlen könnte, wenn er nur pünktlich an der Koppel wäre?
  • Oder mit dem distanziert wirkenden kühlen Kopf, auf dessen Wort man sich verlassen kann und dessen Verstand ein echtes Werkzeug ist?
  • Oder mit beiden, wenn wir selbst die richtige Einstellung finden und beide Kontakte in Richtung Produktivität drehen können?

An diesen beiden Beispielen zeigt sich, dass wir uns auf den jeweiligen Economic Buyer einstellen müssen, um im persönlichen Gespräch erfolgreich zu sein. Dabei kann man sich auf seine Menschenkenntnis verlassen oder auf ein bewährtes Modell setzen, das tief genug geht, aber dennoch einfach und praktikabel ist. Schließlich können wir nicht mit jedem Gegenüber einen ausgefeilten Persönlichkeitstest machen, mit dem wir reden wollen.

Ein praktisches Modell: die vier sozialen Grundtypen

Was tun wenn die Chemie

Ich nutze beides: meine Erfahrung mit Menschen, denen wir als Berater in großer Zahl begegnen, und das Modell der vier sozialen Grundtypen, die sich verlässlich und schnell diagnostizieren lassen. Nach diesem Modell gruppieren sich die verschiedenartigen Economic Buyer um die Achsen Bestimmtheit (Assertiveness) und Empfindsamkeit (Responsiveness).

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Bildquelle: AdobeStock tomertu

  • Analytical: Sehr zahlengetriebene Menschen, die nicht viel Wert auf Socializing legen, sondern gerne anhand von Zahlen, Daten und Fakten das Problem diskutieren möchten, um dann ein sehr strukturiertes Verständnis davon zu bekommen, wie es gelöst wird und was das bringt.

  • Amiable: Menschen mit ausgeprägter Sozialkompetenz, die auch bei „harten“ Aufträgen immer den Menschen im Blick haben. Schon während der Auftragsanbahnung legen sie großen Wert darauf zu verstehen, wer wir sind, was uns wichtig ist und wie sich unser Miteinander mit ihren Kollegen und Mitarbeitern so gestaltet, dass es erfolgreich funktioniert.

  • Driver: Menschen, die sehr konzentriert und anpackend sind und weder viele Worte machen noch hören wollen. „Bitte schnell! Ich hab noch anderes zu tun“ könnte eine typische Driver-Aussage sein, die keinesfalls unhöflich gemeint ist, aber leicht so verstanden werden kann. Also kommen wir schnell auf den Punkt und meistern das Meeting in der Hälfte der angesetzten Zeit.

  • Expressive: Ein spezieller Typ, der zugleich empfindsam und doch bestimmend ist. Er ist sensibel, dabei empfänglich für Kritik und Anregungen und will sicher sein, dass alle relevanten Personen gut eingebunden sind. Dennoch will er klipp und klar entscheiden, was, wann und wie, ohne lange zu fackeln. Expressives können mitunter unberechenbar erscheinen. Wenn man sich aber auf sie eingestellt hat, kann man mit ihnen die unterschiedlichsten Projekte („harte“ und „weiche“) sehr erfolgreich voranbringen.

Schauen Sie, mit welchem Typ Sie es zu tun haben, und stellen Sie sich darauf ein. Das hat keineswegs etwas mit „sich verstellen“ oder unauthentischem Verhalten zu tun. Wir sorgen so lediglich dafür, dass wir ein konstruktives und ergebnisoffenes Gespräch führen können. Falsch wäre es jedoch, unser Wertesystem zu verraten. Äußert sich unser Gesprächspartner abschätzig über seine Mitarbeiter, blasen wir nicht ins gleiche Horn. Sind unsere Wertesysteme tatsächlich sehr verschieden, sollten wir das mögliche Engagement kritisch hinterfragen.

Sich auf den anderen einzustellen bedeutet zum Beispiel, mit einem Analytic nicht über den letzten Urlaub zu plaudern, auch wenn man das gerne tun würde (weil man ein Amiable ist). Wir philosophieren auch nicht darüber, wie wichtig es doch sei, dass die Mitarbeiter für eine „Strategie“ förmlich brennen. Derlei interessiert den Analytic nicht die Bohne. Vielmehr will er wissen: „Welchen Net-Promoter-Score-Effekt hat die Strategie, wie sehr wird die Mitarbeiterbindung steigen, und wie wird sich das auf die Produktivität auswirken?“

Handeln wir diese Zahlen, Daten und Fakten hingegen im Gespräch mit einem Amiable ab, gestaltet sich der Vertrauensaufbau schwierig. Hier müssen wir erst einmal unsere Persönlichkeit rüberbringen, zeigen, wofür wir stehen und was uns wichtig ist!

Wer sind wir und was sind die anderen?

Ich selbst würde mich als Expressive bezeichnen und hatte für gewöhnlich Schwierigkeiten im Umgang mit Analytics, bei denen ich oft dachte: „Oje, von gleicher Wellenlänge kann ich da nur träumen!“ Allerdings war das ein Trugschluss, denn diese „Wellenlänge“ stellt sich über dieselben Werte ein und nicht über die spontane Fitness im Sozialkontakt mit anderen Menschen. Und so habe ich mit vielen Analytics über die Jahre hinweg wertvolle Beziehungen entwickelt und tolle Projekte gemacht.

Sie sehen also: Wenn wir nur mit Vertretern unseres eigenen Typs auf eine Wellenlänge kommen (was bereits automatisch geschieht), lassen wir viel Potenzial brachliegen.

Bedenken wir immer: Eine spontan wahrgenommene Antipathie ist nicht unbedingt tatsächlich Abneigung, denn die Menschen ticken zuweilen einfach verschieden, und es braucht gelegentlich etwas Zeit, um sich miteinander einzugrooven. Gelingt das, lässt sich das Eis ganz schnell brechen und eine blühende Zukunft gemeinsam gestalten.

Ihr

Matthias Kolbusa

Written by : Matthias Kolbusa

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