Es ist wohl leider eine Tatsache, dass viele Berater in der Pandemie mit rückläufigen Umsätzen kämpfen, weil die auftraggebenden Unternehmen zurückhaltend mit Investitionen sind.
Ich denke aber auch, dass viele mit mir der Meinung sind, dass es kaum jemals größeren Beratungsbedarf gab als in dieser Krise. Schließlich muss diese nicht nur durchgestanden werden, sondern es gilt darüber hinaus, wichtige Weichen für eine resilientere Zukunft in den Unternehmen zu stellen.
Ein Blick in die Beraterlandschaft verrät mir, dass Topberater auch jetzt hervorragend angefragt und gebucht sind. Unter „Topberater“ verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht nur fachliche Könner, sondern solche, die über die professionelle Expertise hinaus auch als Unternehmer top aufgestellt sind. Andere wiederum sind zwar trotz Krise noch gut im Geschäft, mühen sich aber mit aufreibenden Kleinprojekten mit großem Zeit- und Nerven-Invest, aber zu wenig finanziellem Return herum und fühlen sich vom entstehenden Stress wie erschlagen.
Dass uns die Dinge mal über den Kopf wachsen, ist ganz normal in einem Beraterleben. Und wie so oft ist es nur zum Teil eine Frage der Ursachen, viel eher jedoch des Umgangs mit den Folgen daraus. Die folgende kleine Geschichte habe ich im Mentoring erlebt, und vielleicht können Sie einige gute Anregungen daraus mitnehmen, wenn auch bei Ihnen mal wieder alles zum Haareraufen ist.
Akut, korrektiv und präventiv raus aus dem Stress
„Ich habe gut zu tun, aber meine Engagements laufen nicht, wie sie sollen, weil mir alles über den Kopf wächst. Viele Kleinprojekte und Trainings, die mich über Wasser halten, aber auf Stundenbasis zu wenig einbringen. Ein richtig schönes Beratungsprojekt will keiner, und Executive-Coachings sind zu selten oder zu weit weg. Permanent bin ich auf Achse und habe kaum Zeit für die Familie, null Zeit für meinen Sport, und wenn ich mal zur Ruhe kommen könnte, geht mir das ganze Chaos nicht aus dem Sinn.”
Als ich das im Mentoring hörte, war mir eines sofort klar: Eine Akutpille musste her, bevor sich der Kollege der dauerhaften Verbesserung seiner Situation zuwenden konnte. Ich nenne die richtigen Akutreaktionen „adaptive Maßnahmen“, und ihre erste Forderung lautet: Unbedingt entspannen! Das sagte ich auch dem Kollegen:
„Die Basis von Stress ist meistens, dass man glaubt, mehr schaffen zu müssen, als man kann. Wenn du in deinen Arbeitstag einen Halbtagsworkshop packst, zwei Akquise-Calls und zwei Statusmeetings, musst du dich nicht wundern, dass dir die Puste ausgeht. Ganz zu schweigen davon, dass du garantiert keine Performance lieferst und weder dir noch dem Kunden einen Gefallen tust.
Woody Allen hat mal gesagt: ‚80 percent of success is just showing up.‘ Meistens stimmt das auch. Wer kneift, statt an den Start zu gehen, wird nichts zu Ende bringen, weil er gar nicht erst anfängt. Aber antreten, wenn man beim besten Willen nicht kann, führt auch zu nichts. Spann erst mal zwei, drei Tage aus. Ruf die Kunden an, dass du aus gesundheitlichen Gründen für kurze Zeit ausfällst. Auch eine mentale Ursache ist ernst zu nehmen, obwohl unser Ethos das eigentlich nicht zulassen will.
Es ist vollkommen egal, ob du im Wald spazieren gehst oder Asterix-Hefte liest. Hauptsache, du kommst erst mal zur Ruhe, um wieder gelassen auf die Dinge zu sehen. Das gibt dir dann auch den Raum für Pille Nummer zwei: korrektive Maßnahmen. Raus aus den diffusen Gefühlen, rein in klare Statements. Was sind wirkliche Probleme, und was ist nur deine Vorstellung?
Drei Beispiele:
- ‚Wenn ich den Workshop schlecht vorbereite, brauche ich für das Projekt länger als nötig.‘
- ‚Wenn ich das Statusmeeting absage, hält man mich für unzuverlässig.
- ‘Wenn ich mich sonntags mit Charts rumquäle, statt mit meinem Sohn zu spielen, verliere ich die Bindung zu ihm.‘
Mach das unbedingt schriftlich, und du wirst schnell herausfinden, was kein echtes Problem ist, und dir klar darüber werden, was du anpacken musst oder im Sinne aller neu verhandeln kannst.
Danach kommt Schritt drei: präventive Maßnahmen. Was kannst du dauerhaft ändern?
- Schluss mit komplexen Jobs für vierstellige Honorare?
- Mehr regionales Marketing, um Trainings und Coachings stärker in Wohnortnähe anzubieten?
- Keine Termine mehr ab Freitagmittag, um Zeit für die Familie zu haben?
Was immer es ist:
Setze klare Prioritäten und halte dich daran, auch wenn dir der erste Impuls etwas anderes einflüstern will. So kommst du aus der Tretmühle sicher wieder raus!“
Ihr
Matthias Kolbusa