Häufig fragen mich Kunden, wie ich ein bestimmtes Problem, das sie beschäftigt, aus der „Beraterperspektive“ sehe. Ich wehre mich nicht nur gegen dieses Wort, sondern auch gegen die Haltung, die dahintersteht. Natürlich haben wir Berater einen anderen Blick, vielleicht auch eine andere Meinung und – natürlich – unsere eigenen Ideen, wie das betreffende Problem gelöst werden könnte.

Wir sollten diese Sichtweise jedoch nicht als spezifische Berater-, sondern vielmehr als alternative Managementperspektive ansehen.

Diese basiert natürlich auf den Erfahrungen, die wir in vielen Unternehmen haben sammeln dürfen und die wir in den neuen Prozess mit einbringen können, um Lösungsideen zu entwickeln.

Apropos Lösungsideen:

Müssen wir beim ersten Kontakt oder spätestens beim Start eines Projekts bereits eine Vorstellung davon haben, mit welchem Ergebnis wir die Herausforderung, der sich der Kunde gegenübersieht, gemeinsam mit ihm meistern?

Nicht unbedingt, denn nur selten haben wir es mit einem Musterproblem zu tun, das mit einer Musterlösung zu beheben ist. Oft besitzt der Kunde selbst die Ressourcen und das Potenzial, um die notwendigen Ziele zu erreichen, und wir als Berater müssen ihn lediglich dabei unterstützen, den Weg dazu zu finden und diesen dann auch konsequent zu gehen.

Keine Genies, Besserwisser und Söldner

Wenn wir bei einem Non-Standard-Problem sofort eine Lösung aus dem Hut ziehen, sind wir entweder Genies oder Besserwisser, die sich anmaßen, die reine Wahrheit zu verkünden, ohne dass diese auf einer vernünftigen Grundlage beruht.

Sitzen wir also das erste Mal mit jemandem zusammen, um eine mögliche Zusammenarbeit zu erörtern, kommt es weniger auf die Problemlösung an (wenn es eindeutig eine solche gibt, umso besser), sondern darum, Impulse zu geben und eine Perspektive aufzuzeigen, mit der sein Unternehmensboot zuerst ins Trockendock gezogen und später überholt wieder zu Wasser gelassen werden kann. Was alles wie zu tun ist, offenbart sich im Detail oft erst, wenn das Boot an Land unter die Lupe genommen wird.

Insofern schauen wir wie Manager auf die Dinge und machen uns die Herausforderungen unseres Klienten zu eigen.

Wir wollen die Lösung ebenso unbedingt und engagiert wie er. Ohne diese Einstellung wären wir nichts anderes als Söldner, die den eigenen Profit im Blick haben und nicht den Nutzen für ihren Auftraggeber. Unser Ziel muss es stets sein, das Unternehmen, mit dem wir es zu tun haben, besser zu machen, das heißt besser, als die Organisation glaubt, und so gut, wie wir irgend können.

Engagements sind Deals auf Gegenseitigkeit

Damit das funktioniert, betrachten wir unsere Projekte als Gemeinschaftsjobs und denken nicht stur in Kategorien wie „Hier Berater – da Kunde“. Unseren Vorzug, vorurteilsfrei sowie im Sinne der internen Politik und Kultur unbefangen auf die Sachlage schauen und entsprechend agieren zu können, bringen wir als unseren Teil eines Deals auf Gegenseitigkeit ein.

Der andere Teil des Deals, nämlich das, was der Kunde für uns leisten muss, müssen wir oft explizit einfordern – in aller Regel dann, wenn unser Auftraggeber die weit verbreitete Einstellung hat: „Gut, dass er da ist. Ich erkläre ihm schnell das Nötigste, lehne mich zurück und lasse ihn machen.“ Das Problem in diesen Fällen ist, dass Berater weder Hellseher noch Magier sind. Und niemand kennt ein Unternehmen besser als die Menschen, die es führen und in ihm arbeiten.

Ebenso kritisch ist es, wenn es heißt: „Unsere Umsätze stagnieren mittlerweile im dritten Quartal. Ich denke, Sie sollten in erster Linie ein Vertriebstraining in Ihre Arbeit einbinden.“ In diesem Fall besteht die Gefahr, dass die Schwierigkeiten auf derselben Ebene gelöst werden sollen, auf der sie entstanden sind. Denn Vertriebstrainings, da können wir annähernd sicher sein, hat es zuvor schon zuhauf und mit wenig Erfolg gegeben.

Buddys mit Managementperspektive

Die Kunst bei unserer Arbeit besteht darin, mit einer alternativen Managementsicht gemeinsam mit dem Kunden festzustellen, worin das wahre Problem besteht, wie eine Lösung aussehen kann und wie der Weg dorthin zu gestalten ist, den wir dann zusammen beschreiten werden.

Allen Besserwissern und Söldnern zum Trotz sind Berater immer nur so gut, wie sie geführt werden. Wer sich als Kunde „bedienen“ lassen will oder nur ein Feigenblatt für seine Versäumnisse von früher sucht, wird mit seinem Consultant nicht glücklich werden.

Berater, Manager oder Buddy

Bildquelle: AdobeStock Dudarev Mikhail

Ich persönlich vergleiche die Kunde-Berater-Beziehung gern mit dem partnerschaftlichen Verhältnis von Tauchern, die bei ihren Tauchgängen „Buddys“ sind, aber keine Freunde sein müssen. Unter Wasser muss es ständigen Kontakt geben, man muss eine gemeinsame und vor allem lösungsorientierte Sprache sprechen und sich auf den anderen verlassen können.

Dabei geht es um Geschlossenheit im Denken und Handeln und um Hilfe zur Selbsthilfe – keinesfalls um ein Kumpelverhältnis.

„Du“ oder „Sie“? Auf den Schulterschluss kommt es an

Sollte man sich mit dem Kunden duzen? Auf keinen Fall sollte man generell davon ausgehen, obwohl es sich hier und da durchaus ergeben kann. Wenn man im Schulterschluss hart für etwas kämpft, schweißt das zusammen und fördert eine gewisse Nähe.

Ist trotz des Duzens gesichert, dass die Beziehung professionell bleibt und ihre konstruktive Fehler- und Streitkultur behält, kann man sich nach sorgfältiger Überlegung von Zeit zu Zeit auf ein entsprechendes Ansinnen einlassen.

Wollen wir unseren Job als Berater gut machen, wird es immer wieder Situationen geben, in denen wir unbequem sein müssen. Ob wir das mit dem überwiegend verwendeten „Sie“ oder dem selteneren „Du“ hinbekommen, ist unerheblich, solange es nur klappt.

Gemeinschaftlich kämpfen kann man unabhängig von der jeweils verwendeten Anrede. Wichtig ist jedoch, dass man es tatsächlich tut.

Ihr
Matthias Kolbusa

Written by : Matthias Kolbusa

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