Vor ein paar Tagen erzählte mir ein Kollege, er habe einen wichtigen Auftrag trotz seiner hervorragenden Expertise nicht bekommen. Die Auftraggeber, die beiden Geschäftsführer eines Unternehmens, gaben ihm zu verstehen, dass er in der Darlegung seiner Ideen nicht ausreichend klar gewesen sei – was immer das heißen mochte. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellte sich schließlich heraus, was es mit diesem „nicht ausreichend klar“ auf sich hatte.
Sein Verhalten in der betreffenden Situation war menschlich absolut nachvollziehbar, und viele Berater verhalten sich in vergleichbaren Situationen genauso wie er. Als seine Gesprächspartner das Problem umrissen und andeuteten, in welche Richtung sie den Lösungskompass ausrichten würden, antwortete mein Kollege: „Gut, ich habe das notiert und werde die Abteilungsleiter kontaktieren, um die genannten Workshops anzusetzen und das mit ihnen abzuarbeiten.“
Bloß nicht anecken wollen
Vermutlich erliegen die meisten von uns Beratern allzu oft der Versuchung, dem Auftraggeber eines attraktiven Engagements nach dem Mund zu reden. Schließlich wollen wir den Job bekommen und möchten keineswegs unnötig anecken. Dabei übersehen wir jedoch eines:
Vermutlich ist der Mensch, der uns gegenübersitzt, bereits ein Teil des Problems, dessentwegen wir hier mit ihm zusammengekommen sind. Folgen wir kritiklos seinen Ansichten und seinem „Plan“, verfestigen wir die Problematik, die wir doch eigentlich lösen sollen. Ganz nach Albert Einstein, der meinte: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Einem der beiden Geschäftsführer war das, was mein Kollege gesagt hatte, gar nicht recht, und er äußerte sich entsprechend:
„Warum haben wir uns mit einem Berater getroffen, wenn wir doch nur wieder alten Wein in neue Schläuche füllen? Wir brauchen jemanden, der uns mit seiner Analyse Kontra gibt, der uns unsere Schwachstellen und einen Weg aufzeigt, der gerne auch mal wehtun darf. Ich glaube nicht, dass uns dieser Bewerber wirklich auf die Sprünge hilft.“
„Be bold, be brave enough to be your true self.“ Queen Latifah
Was also tun, wenn ein Kick-off-Workshop beim Kunden geplant ist und die von ihm vorbereiteten Unterlagen nicht mehr als maximal oberflächliche Aussagen liefern?
Wollen wir das Beste aus der Geschichte herausholen und die Misere mit zarten Neuerungen und ein klein wenig Optimierung abmildern? Oder wollen wir aus unserem Herzen keine Mördergrube machen und Klartext reden:
„Tut mir wirklich leid, Herrschaften, aber mit einer derartig lausigen Vorbereitung kommen wir strategisch niemals dahin, wo wir hinwollen.“
Auf genau diesen Mut kommt es an! Er macht den Unterschied aus zwischen ähnlich versierten Fachleuten. Wenn wir mutig sind, stehen wir zu uns selbst und übertragen unsere Zuversicht auf die anderen Anwesenden.
Es gilt das nur scheinbare Paradox:
Je klarer, selbstbestimmter und oft auch widerständiger wir kommunizieren, desto mehr Aufträge und umso höhere Vergütungen erhalten wir. Gerade wenn wir (und das sollten wir alle) auf der Basis von Value-based Fees arbeiten, muss unser Mehrwert deutlich zutage treten.
Wir werden stets auch für unseren Mut zu klarer Kante bezahlt. Nichts im Projekt ist schädlicher als eine Dienstleistermentalität und entsprechend wahrgenommen zu werden. Bei unseren Engagements müssen wir die Führung übernehmen und diese Position verteidigen, was ohne Mut nicht zu erreichen ist.
Gedankenexperiment: Wer bekommt den Auftrag?
Wir stellen wir uns zur Verdeutlichung zwei Berater vor:
- Berater A hat die größere Expertise sowie mehr Erfahrung und sagt: „Ja, genau, hm … Vielleicht machen wir es so. Ich kann mir das gut vorstellen.“
- Berater B ist anders unterwegs: „Wie ich das sehe, stehen wir zwei Herausforderungen gegenüber, denen wir folgendermaßen begegnen. In der Regel müssen wir dabei diese vier Effekte beachten, die meist jene Schwierigkeiten bereiten. Am besten laufen wir uns schon mal warm und können gerne am Montag anfangen.“
Wer wird den Job wohl bekommen? Wer im Fall des Falles ein höheres Honorar aushandeln? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand.
Unser Selbstwertgefühl und unser Selbstverständnis sind in Bezug auf die Auftragslage und den Jahresgewinn von entscheidender Bedeutung. Hinzu kommt, dass wir als mutige Berater eine Sicherheit ausstrahlen, die das Vertrauen beim Gegenüber wachsen lässt.
Fassen wir nochmals zusammen, wie unser Mut dreifach wirkt:
- Mehr Mut = höhere Auftragswahrscheinlichkeit
- Mehr Mut = höheres Honorar
- Mehr Mut = größere Akzeptanz und eindeutiger Führungsanspruch im Projekt
Und wenn der Kunde kneift?
Die Frage höre ich oft, und ich habe eine klare Meinung dazu. Erstens ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass potenzielle Klienten mit unserem Selbstvertrauen nicht umgehen können. Denn je heftiger es im Kiefer pocht, desto stärker sehnen sich die Menschen nach dem Zahnarzt.
Wenn es – zweitens – doch so kommen sollte, müssen wir froh sein, nicht von einem wankelmütigen Kunden ausgebremst worden zu sein, und die Nerven verlieren. Denn eines unserer wichtigsten Ziele ist Geschwindigkeit.
Und nichts ist schlimmer, als sich mit Bedenkenträgern durch ein Projekt zu quälen, das am Ende sein Ziel verfehlt.
Ihr
Matthias Kolbusa